Das Beherbergungsverbot in Sachsen und die möglichen Konsequenzen:
Das Jahr 2020 wird für immer im Schatten von COVID-19 stehen. Nun, wo mit der Zulassung des Impfstoffes am 21. Dezember 2020 für manche Menschen ein kleines Licht am Ende des Tunnels zu funkeln scheint, für andere der Impfzwang näher rückt, wird die Frage nach dem „danach“ ebenfalls größer. Was bleibt unter dem Strich stehen? Nicht nur das Virus, sondern auch die daraus gezogenen Konsequenzen haben ihren Preis gefordert und werden dies auch weiterhin tun.
Über die Wirksamkeit der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie mag man noch lange uneins sein. Neben einer Gefahr der Erkrankung besteht die Gewissheit, dass die Maßnahmen für eine Vielzahl der Bevölkerung große finanzielle Einbußen bis hin zu Totalausfällen mit sich bringen wird. Eine der wohl umstrittensten Maßnahmen ist das (zumindest anfangs) bundesweite Beherbergungsverbot. Die Länder beschlossen erstmalig Ende Oktober 2020 in Anbracht der sich nähernden zweiten Infektionswelle, dass Hotels, Ferienwohnungen und ähnliche Institutionen keine Gäste mehr empfangen durften. Sinn und Zweck der Verordnung war es, dem innerdeutschen Tourismus Einhalt zu gebieten. Problematisch daran war und ist nach wie vor, dass die tatsächliche Kausalität zwischen Neuinfektionen und der Beherbergung bis heute nicht wissenschaftlich nachgewiesen ist. Und in der Waagschale liegen die Existenzen vieler Personen, deren Einnahmequelle durch den Betrieb von Hotels, Ferienwohnungen oder ähnlichen Angeboten von einem Tag auf den anderen ersatzlos weggebrochen ist.
Während das Verbot in mehreren Bundesländer schon wenige Tage nach dem Erlass der Verordnung wieder gekippt wurde, hat sich das Oberverwaltungsgericht Bautzen in Sachsen dazu am 20.11.2020 (Az. 3 B 356/20) abschlägig dazu positioniert. Dabei stellte es zwar fest, dass es derzeit keine Veranlassung sehe, von der Überzeugung der Rechtmäßigkeit der geltenden Corona-Schutz-Verordnung abzurücken. Doch auch wenn das Beherbergungsverbot in Sachsen noch aufgehoben werden sollte, so ist vielen betroffenen Personen bereits ein hoher finanzieller Schaden entstanden, welcher einen tiefen, nicht mehr zu regulierenden Einschnitt bedeutet. Es drängt sich die Frage nach einem Ersatz dieses Schadens auf. Trifft den Staat ein Verschulden und wenn ja, kann er haftbar gemacht werden? Grundsätzlich ist die Anspruchsgrundlage für Schadensersatzansprüche gegenüber Hoheitsträgern der sogenannte Amtshaftungsanspruch gemäß § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG.
Zunächst ist im Rahmen der Prüfung zu beachten, dass § 839 I 2 BGB die Subsidiarität des Haftungsanspruchs regelt. Kann der Betroffene auf andere Art und Weise Ersatz erhalten, so schließt dies den Anwendungsbereich des § 839 BGB aus. Auch die rechtlichen Mittel müssten erschöpft sein. Da in Sachsen noch nicht über das Beherbergungsverbot entschieden wurde, ist der Betroffene zunächst gezwungen, den Rechtsweg durch Klage oder einstweiligen Rechtsschutz zu beschreiten (oder eine Entscheidung des OVG abzuwarten), bevor eine weitere Prüfung der Amtshaftungsvoraussetzungen überhaupt in Frage kommt.
Die weitere Weichenstellung findet sich (nicht!) im Infektionsschutzgesetz. Es gibt keinen gesetzlichen Schadensersatzanspruch im IfSG für die Schließungen der Beherbergungsangebote. § 65 IfSG regelt nur den Ersatz aufgrund von einer Maßnahme nach §§ 16, 17 IfSG, nicht aber für §§ 28 ff. IfSG, auf welchen das Beherbergungsverbot und auch die Schließung sämtlicher Gastronomiebetriebe beruht.
Es bleibt tatsächlich nur der Weg über § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG, wobei die Aussichten auf Erfolg bedauerlicherweise äußerst fraglich sind.
Dies begründet sich zunächst in der Tatsache, dass das IfSG gerade keine Entschädigung für die Maßnahmen des §§ 28 ff. IfSG vorgesehen hat. Und dies, obwohl es eine eindeutige Regelung nach § 65 IfSG gibt. Auch im Rahmen des Dritten Gesetzes zum Schutze der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite wurde das Thema Entschädigung nicht angefasst. Der Gesetzgeber deutet schon hier an, dass keine Regulierung des Schadens vorgesehen ist. Es handelt sich nicht mehr um die Verhütung der Infektionsverbreitung wie in §§ 16, 17 IfSG, sondern um die Bekämpfung. Damit der Staat zu diesem Zweck auf sämtliche Mittel zurückgreifen kann, ist zur Verhinderung eines möglichen Bankrotts keine Schadensersatzregelung vorhanden.
Was als Einfallstor zu § 839 BGB wirkt, könnte den Anwendungsbereich der Norm somit auch wieder verschließen. Es müsste also bewiesen werden können, dass es sich bei dem Beherbergungsverbot um eine untaugliche Maßnahme handelt, die dem Zwecke der Infektionsbekämpfung nicht dient. Dies könnte in Anbetracht der Tatsache, dass zum Beispiel die Oberverwaltungsgerichte in Lüneburg (OVG Lüneburg, Beschluss vom 15.10.2020, 13 MN 371/29) oder Mannheim (OVG Mannheim, Beschluss vom 15.10.2020 – 1 S 3156/20) genau das festgestellt haben, sogar funktionieren. Es ist dennoch ungewiss, inwieweit ein solcher Nachweis final gelingen kann und der Staat sich zahlungswillig zeigen wird.
Die zivilrechtliche Aufbereitung der Corona-Pandemie steht noch am Anfang. Staatshaftungsansprüche bestehen nicht nur bei rechtswidrigen hoheitlichen Maßnahmen, sondern gewohnheitsrechtlich auch bei rechtmäßigen hoheitlichen Maßnahmen, die zu Sonderopfern führen. Dies gilt nicht nur für Eingriffe in das Eigentum, sondern auch bei Eingriffen in Leben, Gesundheit und Freiheit. Wenn die im Rahmen der Corona-Pandemie getroffenen staatlichen Maßnahmen rechtmäßig waren, dann waren sie zu dulden; der Betroffene kann aber seinen als Sonderopfer erlittenen Schaden liquidieren.
Auszuschließen ist ein Erfolg des § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG somit nicht, eine sichere Prognose kann es erst dann geben, wenn der BGH über einen solchen Antrag entschieden hat. Denn wie für die Medizin handelt es sich bei der Pandemie auch für Juristen um Neuland.